Zwei sächsische Wirtsleute, die Riesenportionen zum Minipreis verkaufen, müssen vor Gericht – wegen Steuerhinterziehung
Der Volksmund beschreibt die Population im Vogtland gern als „kleines, zänkisches Bergvolk“. Zwölf Jahre nach dem legendären Nachbarschaftszoff um den „Maschendroahdzaun“ gärt in dem sächsischen Landstrich ein neuer Konflikt, der dieses Klischee trefflich bedient: der „Schnitzel-Krieg“. Auf den ersten Blick handelt es sich um einen wüsten Streit zwischen dem Finanzamt und zwei Gastronomen, die in ihrer Steuererklärung getrickst haben sollen. In Wahrheit jedoch wirft die Fehde Fragen von gesamtgesellschaftlicher Bedeutung auf. Wie weit darf sich der Staat in die Belange der Bürger einmischen? Darf er vorschreiben, wie groß ein Schnitzel zu sein hat? Kann er nach Gusto festlegen, welche Portionen auf die Teller gehören? Nur um später zu schätzen, welchen Gewinn die Wirtsleute gemacht haben könnten und wie viel Steuern dafür fällig wären?
Regina Unger, 53-jährige Betreiberin der „Futterstube“ in Hammerbrücke, nennt die finanzamtliche Normierungswut „pure Willkür“. Ihr Lebensgefährte und Mitarbeiter Gerhard Kaltscheuer, 50, kocht vor Zorn: “Über die Größe der Schnitzel entscheiden immer noch wir – und nicht der Staat!“ Die Beamten des Finanzamts Plauen sehen das anders. Sie unterstellen dem Gastro-Paar, es habe Schnitzel massenhaft „schwarz“ verkauft. Im April erging gegen die Unbeugsamen Strafbefehl wegen Steuerhinterziehung. Sie sollen neben den mutmaßlich vorenthaltenen Abgaben eine saftige Geldstrafe zahlen, insgesamt 35 000 Euro.
Den Beschuldigten waren die Forderungen von Fiskus und Staatsanwaltschaft ziemlich wurscht, sie ließen es auf einen Prozess ankommen. An diesem Mittwoch wird der bizarre Fall vor dem Amtsgericht Chemnitz verhandelt. Unger und Kaltscheuer argumentieren, die Gäste ihrer Brutzelbude verlangten XXL-Menüs zum Minipreis. Die Gewinnmarge sei da „eher klein“ – im Gegensatz zu den panierten Fleischstücken selbst. Ein jedes würde „mindestens 200 Gramm“ wiegen, so Kaltscheuer. Aus einem Kilo Schweinefleisch gewinnt er demnach maximal fünf Portionen.
Die Erbsenzähler vom Fiskus machen eine andere Rechnung auf. Sie nehmen „aufgrund von Erfahrungswerten“ an, dass sich aus einem Kilogramm Fleisch sechs Schnitzel zu je 165 Gramm schneiden lassen. Mithin könnte man statt fünf Portionen sechs verkaufen. Dieser Arithmetik zufolge hätten die Futterstübler pro Jahr Hunderte Schnitzel mehr verkauft als offiziell angegeben. In ihren Steuererklärungen bezifferten die Imbissunternehmer ihren Gewinn für 2006 auf 448 Euro, in den folgenden Jahren waren es 9058 und 5619 Euro.
Davon können zwei Erwachsene unmöglich gelebt haben, meinen die gestrengen Prüfer. Sie schlussfolgern, das Paar habe sich arm gerechnet und kräftig am Finanzamt vorbei verdient. Falsch, entgegnet Frau Unger. Im fraglichen Zeitraum hätten sie und ihr Freund von Krediten über 75 000 Euro gezehrt. Fast ein Drittel davon mussten sie in Kauf und Umbau des Bistros stecken. Vom Rest habe man sich gerade so über Wasser gehalten. „Wir lebten an der Armutsgrenze“, so die gelernte Küchenhilfe. Ihr Steueranwalt Heinz-Dieter Gollmar haut derweil den Prüfer des Finanzamts in die Pfanne. Ihm seien üble Patzer unterlaufen, darunter ein simpler Fehler beim Zusammenzählen. Die Schätzung enthalte „so viele Mängel“, dass an ihrer Rechtswidrigkeit „kein Zweifel besteht“.