Augen auf beim Immobilienkauf! Eine Familie erwarb eine Traumvilla – und ein Grundstück, das leider nicht zum Haus gehört
Familie Eckert aus der Nähe von Darmstadt lebt in einer stilvollen Villa: 310 Quadratmeter Wohnfläche, Kamin, Sauna, Whirlpool. Durch die Panoramafenster im saalgroßen Wohnzimmer bietet sich ein atemberaubender Blick über die Rheinebene. „Die Sonnenuntergänge sind wunderschön“, schwärmt Gabriele Eckert, 54, die als OP-Schwester in einer Augenklinik arbeitet. Ihr Mann Erich, 70, ein pensionierter Arzt, sagt: „Eigentlich ist es hier paradiesisch.“ Die Betonung liegt auf eigentlich. Die „repräsentative Villa in Traumlage“ (Beschreibung im Makler-Prospekt) hat sich für die Eigentümer zum steingewordenen Albtraum verwandelt. Um das Grundstück, auf dem das Haus steht, tobt ein erbitterter Streit.
Im Kern geht es um einen etwa 108 Quadratmeter großen Grünstreifen direkt neben der Villa. Familie Eckert hatte sich auf die Auskunft der Eigentümerin verlassen. Demnach gehörte das mit Bäumen und Sträuchern bepflanzte Areal zum angebotenen Grundstück. Nach dem Kauf aber beanspruchte der Nachbar das Land für sich. Er berief sich auf amtliche Unterlagen. Mehrere Rechtsanwälte, Notare und Gutachter sind seither mit dem Fall befasst, einmal musste sogar die Polizei anrücken. Nun liegt die Sache mit dem Aktenzeichen 29 O 29/15 beim Landgericht Darmstadt. Das Urteil der hessischen Richter dürfte für Immobilienkäufer in ganz Deutschland von großem Interesse sein.
Die entscheidende Frage lautet: Kauft man ein Grundstück tatsächlich „wie besichtigt“ bzw. „wie es steht und liegt“? Diese Klauseln finden sich in den meisten Kaufverträgen und werden täglich tausendfach problemlos angewandt. Doch was passiert, wenn das besichtigte Objekt nicht mit den Eintragungen in Grundbuch und Katasterplan übereinstimmt? Muss der Kauf dann rückgängig gemacht werden? Wer haftet für den Schaden?
An Probleme dieser Art hatten die Eckerts nicht gedacht, als sie Ende 2013 ihr 830 000 Euro teures Traumhaus in Seeheim-Jugenheim südlich von Darmstadt kauften. Im Mai 2014 zogen die Eheleute zusammen mit ihrer 19-jährigen Tochter Lea-Sophia und dem ungarischen Jagdhund Pluto ein. Ein Pfarrer kam vorbei und segnete das Anwesen, dem Glück der Familie schien nichts mehr im Weg zu stehen. Wenig später zerbrach die Idylle. Die Verkäuferin der Villa, eine seriöse Geschäftsfrau, hatte mittlerweile auch das ihr gehörende Nachbargrundstück verkauft, eine Wiese mit ein paar Bäumen darauf. Kurz nach dem Erwerb startete der neue Nachbar die Planungen für einen Hausbau. Bei der notwendigen Aktenprüfung kam heraus, dass sein 732 Quadratmeter großer Grund gar nicht an der Hecke von Familie Eckert endet, sondern erst unmittelbar an deren Sonnenterrasse. Laut Katasterplan reicht die offizielle Grenze mehrere Meter in jenes Grundstück herein, das die Eckerts 2013 gekauft hatten.
Die neue Sachlage kam für alle Beteiligten überraschend. Familie Eckert fühlte sich betrogen und fürchtete um den Wert ihrer Immobilie. Die Alteigentümerin beteuerte, sie habe den im Katasterplan eingetragenen Grenzverlauf nicht gekannt, und regte an, den Irrtum im Grundbuch zu berichtigen. Der Nachbar jedoch, Deutschland-Chef einer Kosmetikfirma, pochte auf seinen Teil.
Im Frühjahr 2015 eskalierte die Lage. Der Nachbar begann mit der Abholzung des umstrittenen Streifens – gegen den Protest von Ehepaar Eckert. Die Polizei versuchte noch zu schlichten, doch am Ende ratterten die Kettensägen. Seitdem leben die einst glücklichen Villabesitzer im Ausnahmezustand. Die riesige Baugrube des Nachbarn reicht bis direkt an ihre Sitzecke. Wo bis vor wenigen Monaten prächtige Tannen und Büsche die vermeintliche Grundstücksgrenze bildeten, wachsen nun Mauern aus Beton. „Wir können nachts nicht mehr schlafen“, sagt Gabriele Eckert. Im Nachhinein ärgere sie sich, dass sie ihr Grundstück vor dem Kauf nicht nachmessen ließ. „Aber warum sollte ich an den Angaben der Eigentümerin zweifeln, zumal der Verkauf über ein renommiertes Maklerbüro lief?“
Eckerts Rechtsanwalt Hubert Knoll sagte dem FOCUS, seine Mandantin habe das Grundstück so erworben, „wie es ihr die Eigentümerin bei der Besichtigung gezeigt hat“. Es sei „absolut eindeutig“ gewesen, dass die begrünte Außenanlage Bestandteil des Kaufobjekts ist. Der Verteidiger des Nachbarn indes meint, der „tatsächliche und rechtliche Grenzverlauf“ ergebe sich aus den Akten. Basta. Welche Grenze das Gericht am Ende für gültig erklärt, ist offen. Für den 28. September wurden die zerstrittenen Parteien vorgeladen – zum Gütetermin. Der Makler ist schon jetzt fein raus. In seinem Expose stand, alle Angaben seien „ohne Gewähr“.